Abfindung nach sexueller Belästigung durch Geschäftsführer

Eine Kündigungsschutzklage wird mit dem Ziel erhoben, feststellen zu lassen, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Was geschieht aber, wenn die Kündigung eines Arbeitnehmers tatsächlich unwirksam ist, ihm jedoch eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist? Das Kündigungsschutzgesetz sieht für diese Fälle einen sogenannten Auflösungsantrag für den Arbeitnehmer vor, in dessen Konsequenz das Arbeitsgericht dem Arbeitnehmer eine Abfindung zuspricht. Der Auflösungsantrag ist eine Art Reißleine in einem zerrütteten Arbeitsverhältnis. Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 09.07.2025 – Az. 4SLa 97/25) sprach kürzlich einer Arbeitnehmerin in einem solchen Fall eine außergewöhnlich hohe Abfindung zu.

Die Arbeitnehmerin war seit vier Jahren Assistentin der Geschäftsführung und bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von rund 7.744 Euro. Im Vorfeld eines Kundentermins eskalierte die Kommunikation des Geschäftsführers gegenüber der Mitarbeiterin. Über Nachrichten äußerte er konkrete Erwartungen an ihr äußeres Erscheinungsbild. Sie solle „etwas Kurzes im Rockstil und mit Dekolleté“ tragen, die Haare stylen sowie rote Fingernägel, High Heels und rot lackierte Fußnägel zeigen. Dies sei, so der Geschäftsführer, angeblich der Wunsch der Kunden, nicht seiner. Er selbst müsse dann „die Kopfschmerzen aushalten“, wenn sie anwesend sei. In einer weiteren Nachricht schrieb er wörtlich: „Gasaaaaaaanz wichtig. Nichts unter dem Rock anziehen.“ – Die Formulierungen und Schreibweise entstammen dem Urteil. Als die Assistentin dies ablehnte, wurde sie von ihrem Chef als „dumme Frau“ und „hässliche Fresse“ beschimpft und mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bedroht.

Der Arbeitnehmerin wurde tatsächlich gekündigt. Das Landesarbeitsgericht Köln kam zu dem klaren Ergebnis, dass die Kündigung unwirksam sei, doch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Frau unzumutbar sei. Die Unzumutbarkeit wurde in den Beleidigungen und den angedrohten Repressalien gesehen. Das Gericht sprach der Arbeitnehmerin mit rund 70.000 Euro zurecht eine außergewöhnlich hohe Abfindung zu. Dies entspricht etwa zwei Gehältern pro Beschäftigungsjahr. Die Arbeitnehmerin erhielt nicht nur ein Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch eine Art Schmerzensgeld für die erlittenen psychischen Belastungen. Dieser Fall zeigt, dass ein Arbeitnehmer nicht an einem Arbeitsplatz verbleiben muss, der unerträglich geworden ist, und gegebenenfalls sogar eine Abfindung erhalten kann.

Saskia Steffen, NOMiA Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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