
Wie vulgär darf es am Arbeitsplatz werden?
Nicht jede sprachliche Entgleisung am Arbeitsplatz rechtfertigt eine Kündigung. Das zeigt ein aktueller Fall vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG, Urteil vom 18.11.2025, Az. 3 SLa 699/24), in dem ein nächtlicher Konflikt im Lager zu einer überraschenden arbeitsrechtlichen Korrektur führte. Der Kläger war seit 2020 in der Dauernachtschicht eines Verteilzentrums beschäftigt und hatte in der Vergangenheit bereits zwei Abmahnungen erhalten. Die erste wegen unerlaubten Verlassens des Arbeitsplatzes und eine weitere wegen angeblicher Beleidigung von Vorgesetzten. Im August 2024 eskalierte die Lage erneut.
Die Schichtleiterin warf dem Kläger vor, eine Arbeitsanweisung ignoriert zu haben, woraufhin er ihr entgegnete, dass sie ihm nichts zu sagen habe und sie „noch ein Kind“ sei. Als die Vorgesetzte ihn aufforderte, die Halle zu verlassen, soll er auf Türkisch „Du hast die Mutter der Schicht gef…“ geäußert haben. Dem widersprach der Kläger, indem er behauptete, auf Türkisch „Du hast die Schichtmutter weinen lassen“ gesagt zu haben. Außerdem seien Missverständnisse aufgrund der Situation, Entfernung und Lautstärke unvermeidlich. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Vor dem Arbeitsgericht scheiterte der Kläger zunächst mit seiner Kündigungsschutzklage. Die Berufung brachte allerdings die Wendung für ihn.
Das Gericht hörte die Schichtleiterin und zwei Kollegen des Klägers. Im Ergebnis hielten es die Richter für erwiesen, dass der Kläger im Kern die von der Arbeitgeberin geschilderte vulgäre Formulierung benutzt hatte. Jedoch ergaben die Aussagen der Zeugen, dass die Worte nicht als persönliche, ehrverletzende Beleidigung der Schichtleiterin gemeint waren. Der Kläger habe – wenn auch in drastischer Sprache – Kritik an der Art der Schichtorganisation geäußert und nicht die Vorgesetzte als Person herabgewürdigt. In der emotional aufgeheizten Situation, so das LAG, sei die Entgleisung zwar unzweifelhaft arbeitsrechtlich relevant – aber nicht gravierend genug, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände und der gegenseitigen Interessen sei die Kündigung daher unverhältnismäßig gewesen.
Saskia Steffen, NOMiA Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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