Anspruch eines einzelnen Betriebsratsmitgliedes auf Sachmittelausstattung
In einer bemerkenswerten Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen kürzlich entschieden, dass ein einzelnes Betriebsratsmitglied einen eigenständigen Anspruch auf Bereitstellung von Informations- und Kommunikationstechnik nach § 40 Abs. 2 BetrVG geltend machen kann, wenn diese für die Ausübung seines Amts erforderlich ist (LAG Niedersachsen Beschluss vom 25.04.2025, Az. 17 TaBV 63/24). Auch ein Beschluss des Betriebsrats sei nicht zwingend, wenn das Betriebsratsmitglied in eigener Verantwortung tätig wird.
In dem zugrundeliegenden Beschlussverfahren war nicht – wie so oft – der Betriebsrat als Gremium der Antragsteller, sondern ein einzelnes Betriebsratsmitglied. Dieser begehrte die Bereitstellung einer personalisierten und extern kommunikationsfähigen E-Mail-Adresse von der Arbeitgeberin. Das Arbeitsgericht Celle hatte in der ersten Instanz die Anträge des Betriebsratsmitgliedes mit der Begründung zurückgewiesen, dass Ansprüche auf Ausstattung mit Sachmitteln allein dem Betriebsrat zustünden. Diese Ansicht teilt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen nicht. Ein einzelnes Betriebsratsmitglied kann Ansprüche auf § 40 Abs.2 BetrVG stützen, sofern Sachmittel für seine Tätigkeit in eigener Verantwortung erforderlich sind. Gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung zur Verfügung zu stellen.
Das Landesarbeitsgericht argumentierte, dass weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der Norm einem Anspruch eines einzelnen Betriebsratsmitgliedes auf Sachmittelausstattung entgegenstünden. Dass ausschließlich der Betriebsrat als Gremium der Anspruchsinhaber ist, könne der Norm gerade nicht entnommen werden. Auch Aufgaben der Betriebsratsmitglieder, die diese als solche wahrnehmen, könnten zwanglos als „Tätigkeit des Betriebsrats“ bezeichnet werden. Zwar könne der Betriebsrat nur als Gremium Beschlüsse fassen; für den Betriebsrat handeln könnten jedoch nur der oder die Betriebsratsvorsitzende und die übrigen Mitglieder.
Zudem hatte das Landesarbeitsgericht Niedersachsen kein Problem damit, dass der Betriebsrat keinen Beschluss hinsichtlich der Sachmittelausstattung gefasst hatte. Es gebe Fälle, in denen ein einzelnes Betriebsratsmitglied in eigener Verantwortung tätig wird und tätig werden darf. Es sei selbstverständliche Aufgabe der Betriebsratsmitglieder – auch ohne Beschluss des Betriebsrats – bspw. als Ansprechpartner im Betrieb den Arbeitnehmenden zur Verfügung zu stehen.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen ist gerade auch vor dem Hintergrund so überraschend, dass fast genau drei Monate zuvor das Landesarbeitsgericht Hamm in einem ähnlichen Fall gegenteiliger Auffassung war. Dieses vertrat nämlich die Ansicht, dass ein einzelnes Betriebsratsmitglied keinen eigenen betriebsverfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf Sachmittelausstattung habe (LAG Hamm, Beschluss vom 28.01.2025, Az. 7 TaBV 35/24). Interessanterweise stützte das Landesarbeitsgericht Hamm seine Begründung ebenfalls auf das Wortlautargument – allerdings mit einem anderen Ergebnis. Das Betriebsverfassungsgesetz differenziere in verschiedenen Vorschriften nach Rechten und Pflichten einzelner Betriebsratsmitglieder und des Gremiums „Betriebsrat“, woraus sich ergebe, dass sich § 40 BetrVG sowohl vom Wortlaut, vom Normzweck als auch von der Systematik her ausschließlich an den Betriebsrat als Gremium richte.
Des Weiteren hat sich das Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Beschluss auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2012 berufen (BAG, Beschluss vom 18.07.2012, Az. 7 ABR 23/11). In dieser Entscheidung stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass es allein im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Betriebsrates liegt, zu entscheiden, ob der Zugang zum Internet den einzelnen Betriebsratsmitgliedern nur über einen zentralen Rechner im Betriebsratsbüro oder auch am Arbeitsplatz des Betriebsratsmitgliedes möglich gemacht werden soll.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig (BAG, Az. 7 ABR 28/25). Angesichts der divergierenden Auffassungen zum Anspruch auf Sachmittelausstattung eines einzelnen Betriebsratsmitgliedes bleibt es daher spannend, ob diese Entscheidung Bestand haben wird.
Franziska Köster, NOMiA Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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