Öffentlicher Dienst: Kündigung wegen Krankheit und Abfindung - Deine Rechte verstehen

Besondere Situation im öffentlichen Dienst

Der öffentliche Dienst bietet in Deutschland traditionell einen besonderen Schutz. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn es um krankheitsbedingte Kündigungen geht. Während in der Privatwirtschaft bereits nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres eine Kündigung möglich sein kann, ist im öffentlichen Dienst die Durchsetzung einer krankheitsbedingten Kündigung aufgrund tariflicher Regelungen und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers häufig schwieriger.

Diese besonderen Schutzbestimmungen resultieren aus dem Grundsatz der Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Beschäftigten. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass öffentliche Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für ihre Mitarbeiter tragen und daher höhere Hürden für Kündigungen bestehen müssen.

In der Praxis führt dies dazu, dass sich viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Unklarheit über ihre Rechte befinden, wenn sie längere Zeit erkrankt sind. Die Sorge um den Arbeitsplatz und die Frage nach möglichen Abfindungen beschäftigen viele Betroffene. Umso wichtiger ist es, die rechtlichen Grundlagen zu verstehen und zu wissen, welche Optionen bestehen.

Das Wichtigste im Überblick

Besonderer Kündigungsschutz: Im öffentlichen Dienst ist die Durchsetzung einer krankheitsbedingten Kündigung aufgrund tariflicher Regelungen und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers häufig schwierig

Abfindungsanspruch: Abfindungen sind im öffentlichen Dienst grundsätzlich nicht vorgesehen, können aber in besonderen Fällen durch Aufhebungsverträge oder Sozialpläne entstehen

Präventive Maßnahmen: Vor einer Kündigung müssen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst umfassende Wiedereingliederungsmaßnahmen und Alternativlösungen prüfen

Rechtliche Grundlagen im öffentlichen Dienst

Kündigungsschutzgesetz und Tarifverträge

Beschäftigte im öffentlichen Dienst unterliegen grundsätzlich dem allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Ergänzend dazu gelten die Regelungen der einschlägigen Tarifverträge wie dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder dem Tarifvertrag der Länder (TV-L), die z. B. besondere Regelungen zu Kündigungsfristen oder Ausschlussfristen enthalten.

Ordentliche Kündigungen sind im öffentlichen Dienst unter den Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes möglich, insbesondere müssen sie sozial gerechtfertigt sein (§ 1 Abs. 2 KSchG). Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist nur bei außerordentlichen Kündigungen nach § 626 BGB erforderlich.

Besonderheiten bei Krankheit

Bei krankheitsbedingten Kündigungen im öffentlichen Dienst müssen besonders strenge Voraussetzungen erfüllt sein. Der Arbeitgeber muss eine negative Gesundheitsprognose belegen können und nachweisen, dass die Weiterbeschäftigung mit erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen verbunden wäre.

Darüber hinaus ist im öffentlichen Dienst eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Dabei sind die Länge der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers, seine persönlichen Verhältnisse und die Möglichkeiten einer anderweitigen Beschäftigung zu berücksichtigen.

Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung

Negative Gesundheitsprognose

Eine krankheitsbedingte Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Diese liegt vor, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Arbeitsunfähigkeit auch in Zukunft fortbestehen wird oder mit weiteren Erkrankungen zu rechnen ist.

Im öffentlichen Dienst sind die Anforderungen an diese Prognose besonders hoch. Es reicht nicht aus, dass ein Arbeitnehmer längere Zeit erkrankt war. Vielmehr muss der Arbeitgeber durch ärztliche Atteste oder Gutachten belegen, dass eine Besserung des Gesundheitszustands nicht zu erwarten ist.

Betriebliche Beeinträchtigungen

Zusätzlich zur negativen Gesundheitsprognose müssen erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen vorliegen. Diese können sich in Form von Störungen des Arbeitsablaufs, der Notwendigkeit einer Ersatzkraft oder erheblichen wirtschaftlichen Belastungen manifestieren.

Im öffentlichen Dienst ist jedoch zu berücksichtigen, dass öffentliche Arbeitgeber eine besondere Fürsorgepflicht haben. Dies bedeutet, dass sie größere Belastungen hinzunehmen haben als private Arbeitgeber. Die Schwelle für "erhebliche" Beeinträchtigungen liegt daher höher.

Interessenabwägung

Der entscheidende Schritt bei einer krankheitsbedingten Kündigung ist die Interessenabwägung. Hierbei werden die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Interessen des Arbeitnehmers an dessen Fortsetzung abgewogen.

Im öffentlichen Dienst fallen verschiedene Faktoren besonders ins Gewicht: die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers, seine familiäre Situation und die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. Je länger die Betriebszugehörigkeit und je schwieriger die Arbeitsmarktlage, desto eher überwiegen die Interessen des Arbeitnehmers.

Präventive Maßnahmen und Alternativlösungen

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Bevor eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann, ist der Arbeitgeber gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Dies gilt für alle Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind.

Das BEM hat das Ziel, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ist im öffentlichen Dienst besonders wichtig, da sein Fehlen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegen die Wirksamkeit einer Kündigung sprechen kann. Das BEM ist jedoch keine formale Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern dient dazu, mildere Mittel zur Kündigung zu erkennen und zu entwickeln.

Umsetzung und Versetzung

Im öffentlichen Dienst bestehen oft umfangreichere Möglichkeiten zur Umsetzung oder Versetzung als in der Privatwirtschaft. Arbeitgeber müssen prüfen, ob der erkrankte Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden kann, der seinen gesundheitlichen Einschränkungen entspricht.

Diese Prüfungspflicht erstreckt sich nicht nur auf den unmittelbaren Arbeitsbereich, sondern auf die gesamte Verwaltung oder das gesamte Unternehmen des öffentlichen Dienstes. Erst wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann eine Kündigung in Betracht kommen.

Teilzeitbeschäftigung und Arbeitsplatzanpassung

Eine weitere Alternative zur Kündigung ist die Reduzierung der Arbeitszeit oder die Anpassung des Arbeitsplatzes. Im öffentlichen Dienst bestehen oft günstige Voraussetzungen für Teilzeitbeschäftigungen oder flexible Arbeitszeiten.

Auch technische Hilfsmittel oder ergonomische Anpassungen des Arbeitsplatzes können eine Möglichkeit darstellen, die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, diese Möglichkeiten zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen.

Abfindungen im öffentlichen Dienst

Grundsätzlich kein Abfindungsanspruch

Wie in der  Privatwirtschaft besteht im öffentlichen Dienst grundsätzlich kein Anspruch auf eine Abfindung bei krankheitsbedingten Kündigungen. Die Tarifverträge sehen keine automatischen Abfindungsregelungen vor.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass Abfindungen völlig ausgeschlossen sind. In besonderen Fällen können dennoch Abfindungen gezahlt werden, etwa wenn der Arbeitgeber ein Interesse an einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat.

Aufhebungsverträge mit Abfindung

Eine Möglichkeit, eine Abfindung zu erhalten, besteht in der Vereinbarung eines Aufhebungsvertrags. Hierbei einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Bei der Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag solltest Du jedoch vorsichtig vorgehen. Du solltest prüfen, ob eine Kündigung überhaupt rechtmäßig wäre und welche Folgen ein Aufhebungsvertrag für Deine Ansprüche auf Arbeitslosengeld haben könnte.

Sozialpläne und Interessenausgleich

In größeren Einheiten des öffentlichen Dienstes können bei strukturellen Veränderungen Sozialpläne vereinbart werden, die auch Abfindungsregelungen enthalten. Sozialpläne kommen in der Regel bei betriebsbedingten Kündigungen zur Anwendung. In Einzelfällen können sie jedoch auch auf andere Beendigungsgründe, wie krankheitsbedingte Kündigungen, ausgedehnt sein, wenn dies tariflich oder betrieblich so vereinbart wurde.

Checkliste für Betroffene

Vor einer möglichen Kündigung

  • Führe eine umfassende Dokumentation aller krankheitsbedingten Ausfälle
  • Sammle alle ärztlichen Atteste und Befunde
  • Informiere den Personalrat oder Betriebsrat über Deine Situation
  • Prüfe, ob ein BEM-Verfahren eingeleitet wurde
  • Erkunde alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in Deinem Bereich
  • Hole Dir frühzeitig rechtliche Beratung

Nach Erhalt einer Kündigung

  • Prüfe die Kündigungsfrist und mögliche Formfehler
  • Erhebe innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage
  • Sammle alle Unterlagen zum BEM-Verfahren
  • Dokumentiere alle Gespräche mit dem Arbeitgeber
  • Prüfe alternative Lösungen (Aufhebungsvertrag, Abfindung)
  • Lasse Dich über die Folgen für das Arbeitslosengeld beraten

Häufig gestellte Fragen

Grundsätzlich besteht im öffentlichen Dienst kein automatischer Anspruch auf eine Abfindung bei krankheitsbedingten Kündigungen. Abfindungen können jedoch in Aufhebungsverträgen vereinbart werden oder sich aus Sozialplänen ergeben. In Einzelfällen kann auch eine Abfindung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs erreicht werden.

Ja, auch bei psychischen Erkrankungen ist grundsätzlich eine krankheitsbedingte Kündigung möglich. Allerdings sind die Anforderungen hier oft besonders hoch, da die Prognose bei psychischen Erkrankungen schwer einschätzbar ist. Zudem bestehen oft gute Möglichkeiten für Arbeitsplatzanpassungen oder alternative Beschäftigungsformen.

Ja, grundsätzlich ist eine krankheitsbedingte Kündigung auch im öffentlichen Dienst möglich. Allerdings gelten besonders strenge Voraussetzungen. Es muss eine negative Gesundheitsprognose vorliegen, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen müssen gegeben sein, und eine Interessenabwägung muss zu Gunsten des Arbeitgebers ausfallen. Zudem muss ein ordnungsgemäßes BEM-Verfahren durchgeführt worden sein.

Die Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag sollte gut überlegt sein. Zwar kannst Du eine Abfindung erhalten, aber Du verzichtest auch auf Deinen Kündigungsschutz. Zudem können sich Nachteile beim Arbeitslosengeld ergeben. Lasse Dich unbedingt vor der Unterzeichnung rechtlich beraten.

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren nach § 167 Abs. 2 SGB IX, das bei Arbeitnehmern durchgeführt werden muss, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Ziel ist es, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und den Arbeitsplatz zu erhalten. Das BEM ist jedoch keine formale Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern dient dazu, mildere Mittel zur Kündigung zu erkennen und zu entwickeln. Ein fehlendes oder fehlerhaftes BEM kann die Erfolgsaussichten einer Kündigung erheblich beeinträchtigen, weil es im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit negativ zu Lasten des Arbeitgebers gewertet wird.

Ein fehlendes oder fehlerhaftes BEM kann die Erfolgsaussichten einer Kündigung erheblich beeinträchtigen, weil es im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit negativ zu Lasten des Arbeitgebers gewertet wird. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass er seine Pflichten im Rahmen des BEM erfüllt hat. Fehler im BEM-Verfahren können daher ein starkes Argument gegen die Kündigung sein.

Wenn Du als Arbeitnehmer oder Tarifbeschäftigter im öffentlichen Dienst eine Kündigung erhältst, kannst Du innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erheben (§ 4 KSchG). Für Beamte gelten gesonderte Verfahren nach dem Beamtenrecht. Dabei prüft das Gericht, ob alle Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung vorliegen. Wichtig ist eine gründliche Vorbereitung und die Sammlung aller relevanten Unterlagen.

Es gibt keine feste Zeitgrenze. Entscheidend ist nicht die Dauer der Erkrankung, sondern die Prognose für die Zukunft. Auch bei kürzeren Erkrankungen kann eine Kündigung möglich sein, wenn eine negative Gesundheitsprognose vorliegt. Bei längeren Erkrankungen ist jedoch ein BEM-Verfahren ab sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres verpflichtend.

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