Kündigung wegen Geschäftsaufgabe: Fristen und Rechte im Überblick

Bei einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe müssen Arbeitgeber die regulären Kündigungsfristen nach § 622 BGB einhalten und bei schrittweiser Schließung eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchführen. Arbeitnehmer haben nicht automatisch Anspruch auf eine Abfindung, können aber durch Sozialplan, Tarifvertrag oder erfolgreiche Kündigungsschutzklage Ansprüche geltend machen. Da die Frist für eine Kündigungsschutzklage nur drei Wochen beträgt, sollten Betroffene unverzüglich rechtliche Beratung einholen und sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos melden.

Das Wichtigste im Überblick 

Betriebsbedingte Kündigung bei Geschäftsaufgabe: Arbeitgeber müssen strenge Voraussetzungen erfüllen und besondere Fristen einhalten, um rechtswirksam zu kündigen 

Kündigungsfristen und Sozialauswahl: Auch bei Geschäftsaufgabe gelten die regulären Kündigungsfristen, und bei mehreren Mitarbeitern muss eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt werden 

Abfindungsansprüche und Schutzrechte: Betroffene Arbeitnehmer haben nicht automatisch Anspruch auf eine Abfindung. Ein Anspruch kann sich jedoch aus einem Sozialplan, einem Tarifvertrag, § 1a KSchG oder durch eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage ergeben

Wenn das Unternehmen schließt: Deine Rechte als Arbeitnehmer

Die Nachricht von einer bevorstehenden Geschäftsaufgabe ist für jeden Arbeitnehmer ein Schock. Plötzlich steht die berufliche Zukunft auf dem Spiel, und viele Fragen drängen sich auf: Welche Fristen muss der Arbeitgeber einhalten? Bin ich ausreichend geschützt? Und was passiert mit meinen Ansprüchen?

Eine Kündigung wegen Geschäftsaufgabe ist eine der schwerwiegendsten Situationen im Arbeitsleben. Doch auch in dieser belastenden Phase hast du als Arbeitnehmer wichtige Rechte, die du unbedingt kennen und durchsetzen solltest. Das deutsche Arbeitsrecht bietet auch bei Betriebsschließungen einen umfassenden Schutz – vorausgesetzt, du weißt, wie du ihn nutzen kannst.

Rechtliche Grundlagen der betriebsbedingten Kündigung

Gesetzliche Verankerung im Kündigungsschutzgesetz

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) regelt in § 1 Abs. 2 Satz 1 die Voraussetzungen für betriebsbedingte Kündigungen. Eine solche Kündigung ist nur dann rechtmäßig, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Bei einer vollständigen Geschäftsaufgabe sind diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt – allerdings müssen weitere wichtige Bedingungen beachtet werden.

Unterscheidung zwischen verschiedenen Geschäftsaufgaben

Rechtlich ist zwischen verschiedenen Formen der Geschäftsaufgabe zu unterscheiden. Eine vollständige Betriebsschließung liegt vor, wenn der Arbeitgeber seine gesamte Geschäftstätigkeit endgültig einstellt. Davon abzugrenzen sind Betriebsverlegungen, Betriebsumstrukturierungen oder die Schließung einzelner Betriebsteile. Jede dieser Situationen hat unterschiedliche rechtliche Konsequenzen für die Kündigung der Mitarbeiter.

Bei einer echten Geschäftsaufgabe entfällt die Notwendigkeit einer unternehmerischen Interessenabwägung, jedoch bleibt die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG erforderlich, sofern nicht alle Arbeitnehmer entlassen werden. Dennoch bleiben alle anderen Schutzvorschriften des Arbeitsrechts in vollem Umfang bestehen.

Fristen bei Kündigung wegen Geschäftsaufgabe

Kündigungsfristen nach BGB und Arbeitsvertrag

Vorgaben zur Kündigungsfrist bei Geschäftsaufgabe: Was muss ich beachten?

Wie lang die Kündigungsfrist bei einer Geschäftsaufgabe sein muss, ist in der Regel im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag festgelegt.

Ist nichts vertraglich geregelt, gilt § 622 BGB. Laut Gesetz betragen die Fristen:

  • 1 Monat bei 2 Jahren Betriebszugehörigkeit
  • 2 Monate bei 5 Jahren Betriebszugehörigkeit
  • 3 Monate bei 8 Jahren Betriebszugehörigkeit
  • 4 Monate bei 10 Jahren Betriebszugehörigkeit
  • 5 Monate bei 12 Jahren Betriebszugehörigkeit
  • 6 Monate bei 15 Jahren Betriebszugehörigkeit
  • 7 Monate bei 20 Jahren Betriebszugehörigkeit

Die Kündigungsfrist gilt jeweils zum Ende eines Kalendermonats.

Besonderheiten bei außerordentlicher Kündigung

In seltenen Fällen kann eine Geschäftsaufgabe auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn dem Arbeitgeber die Einhaltung der regulären Kündigungsfristen nicht zugemutet werden kann. Die Hürden hierfür sind sehr hoch, da die Geschäftsaufgabe in der Regel planbar ist und der Arbeitgeber entsprechende Vorbereitungszeit hat.

Sozialauswahl bei Geschäftsaufgabe

Grundsätze der Sozialauswahl

Werden bei einer Geschäftsaufgabe nicht alle Mitarbeiter gleichzeitig entlassen, sondern erfolgt die Schließung schrittweise, muss eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt werden. Diese richtet sich nach § 1 Abs. 3 KSchG und berücksichtigt die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine eventuelle Schwerbehinderung.

Die Sozialauswahl ist auch dann erforderlich, wenn nur bestimmte Abteilungen oder Betriebsteile geschlossen werden, während andere weiterbetrieben werden. In diesem Fall müssen die Kündigungen innerhalb der vergleichbaren Mitarbeitergruppen nach sozialen Gesichtspunkten erfolgen.

Fehlerhafte Sozialauswahl als Kündigungsgrund

Eine fehlerhafte oder unterlassene Sozialauswahl macht die Kündigung unwirksam. Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn die Geschäftsaufgabe als solche berechtigt ist. Arbeitnehmer, die von einer fehlerhaften Sozialauswahl betroffen sind, können erfolgreich gegen ihre Kündigung vorgehen.

Typische Fallkonstellationen und Lösungsansätze

Insolvenzbedingte Geschäftsaufgabe

Wenn ein Unternehmen aufgrund einer Insolvenz geschlossen wird, gelten besondere Regelungen. Der Insolvenzverwalter kann Arbeitsverträge gemäß § 113 InsO mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen, sofern keine kürzere Frist gilt. Dennoch bleiben die Arbeitnehmer nicht schutzlos: Sie haben Anspruch auf Insolvenzgeld und können unter bestimmten Voraussetzungen auch Abfindungen durchsetzen.

Strategische Unternehmensschließung

Bei einer strategischen Geschäftsaufgabe, etwa wenn ein Unternehmen seine Aktivitäten auf andere Bereiche fokussieren möchte, müssen alle regulären Kündigungsfristen und Schutzbestimmungen eingehalten werden. Hier ist besonders darauf zu achten, dass die Geschäftsaufgabe nicht nur vorgeschoben ist, um unliebsame Mitarbeiter loszuwerden.

Betriebsverlegung ins Ausland

Wenn ein Betrieb ins Ausland verlagert wird, kann dies ebenfalls eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Allerdings muss der Arbeitgeber prüfen, ob den Mitarbeitern ein anderweitiger Arbeitsplatz  angeboten werden kann..

Besonderheiten für Auszubildende bei Geschäftsaufgabe

Als Auszubildender bist du bei einer Betriebsschließung nicht schutzlos. Zwar kann dein Ausbildungsbetrieb dir grundsätzlich aus wichtigem Grund nach Ablauf der Probezeit kündigen, jedoch ist er gesetzlich verpflichtet, dir bei der Suche nach einem anderen Ausbildungsplatz zu helfen. Dein Arbeitgeber muss sich mit der Agentur für Arbeit und der zuständigen Berufskammer in Verbindung setzen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Diese Unterstützungspflicht ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern rechtlich verankert. Du kannst von deinem Ausbildungsbetrieb verlangen, dass er aktiv bei der Vermittlung in einen anderen Betrieb hilft. Oft können Kooperationspartner, Lieferanten oder Konkurrenten als neue Ausbildungsstätten infrage kommen.

Kündigung bei befristeten Arbeitsverträgen

Hast du einen befristeten Arbeitsvertrag, genießt du auch bei einer Geschäftsaufgabe Schutz. Befristete Verträge können grundsätzlich nur dann vorzeitig gekündigt werden, wenn sie eine entsprechende Kündigungsklausel enthalten. Das gilt auch bei einer Betriebsschließung. Fehlt eine entsprechende Klausel, bleibt nur die Möglichkeit eines einvernehmlichen Aufhebungsvertrags. Hierbei solltest du besonders auf eine angemessene Abfindung achten, da du auf deine besonderen Rechte verzichtest.

Praktische Tipps für betroffene Arbeitnehmer

Sofortiges Handeln bei Kündigungserhalt

Nach Erhalt einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe solltest du unverzüglich handeln. Die Frist für eine Kündigungsschutzklage beträgt nur drei Wochen nach Zugang der Kündigung. Versäumst du diese Frist, gilt die Kündigung als rechtswirksam – auch wenn sie rechtlich anfechtbar gewesen wäre.

Sammle alle relevanten Unterlagen: den Kündigungsbrief, deinen Arbeitsvertrag, eventuelle Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Dokumentiere auch, wann und wie du die Kündigung erhalten hast. Diese Informationen sind für die rechtliche Bewertung deiner Situation entscheidend.

Arbeitslosengeld beantragen

Melde dich umgehend bei der Agentur für Arbeit arbeitslos. Dies sollte spätestens am ersten Tag der Arbeitslosigkeit geschehen, um Nachteile beim Arbeitslosengeld zu vermeiden. Bei einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe wird in der Regel keine Sperrzeit verhängt, da die Kündigung nicht in deiner Sphäre liegt.

Rechtliche Beratung einholen

Die rechtlichen Aspekte einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe sind komplex und vielschichtig. Eine frühzeitige Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht kann dir helfen, deine Rechte zu verstehen und durchzusetzen. Viele Rechtschutzversicherungen übernehmen die Kosten für eine solche Beratung. Wir stehen dir gerne zur Verfügung, um deine individuelle Situation zu bewerten und die bestmögliche Strategie zu entwickeln.

Häufig gestellte Fragen

Ein gesetzlicher Abfindungsanspruch besteht nicht automatisch. Ein Anspruch kann sich jedoch aus einem Sozialplan, einem Tarifvertrag, § 1a KSchG oder durch eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage ergeben. In vielen Fällen ist eine Abfindung auch Verhandlungssache.

Ja, du kannst innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben. Auch wenn die Geschäftsaufgabe berechtigt ist, können formelle Fehler oder eine fehlerhafte Sozialauswahl die Kündigung unwirksam machen.

Ja, während der Kündigungsfrist kannst du eine neue Stelle suchen und annehmen. Eine Verkürzung der Kündigungsfrist ist jedoch nur durch einen Aufhebungsvertrag oder mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. In vielen Fällen ist der Arbeitgeber bei einer Geschäftsaufgabe sogar froh über eine vorzeitige Beendigung.

Ja, der Betriebsrat muss nach § 111 BetrVG rechtzeitig und umfassend über die geplante Betriebsschließung informiert werden. Er hat das Recht auf Beratung und kann Verhandlungen über einen Sozialplan führen.

Ja, auch bei einer vollständigen Geschäftsaufgabe müssen die regulären Kündigungsfristen nach § 622 BGB oder den im Arbeitsvertrag vereinbarten längeren Fristen eingehalten werden. Eine Verkürzung ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.

Ja, bei einer Insolvenz gelten besondere Regelungen. Der Insolvenzverwalter kann gemäß § 113 InsO mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen, sofern keine kürzere Frist gilt. Dafür haben die Arbeitnehmer unter Umständen  Anspruch auf Insolvenzgeld.

Wenn du vermutest, dass die Geschäftsaufgabe nur vorgeschoben ist, um dich loszuwerden, solltest du unbedingt rechtliche Beratung einholen. Du musst dann innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage erheben und die wahren Gründe für die Kündigung aufdecken.

In diesem Fall muss eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt werden. Dabei werden Mitarbeiter nach sozialen Gesichtspunkten wie Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten ausgewählt. Eine fehlerhafte Sozialauswahl macht die Kündigung unwirksam.

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