Kündigung wegen Geschäftsaufgabe: Abfindung und Rechte der Arbeitnehmer

Das Wichtigste im Überblick

Betriebsbedingte Kündigung: Eine Geschäftsaufgabe führt zu betriebsbedingten Kündigungen, die besonderen rechtlichen Anforderungen unterliegen 

Abfindungsanspruch: Arbeitnehmer haben oft Anspruch auf eine Abfindung, auch wenn kein gesetzlicher Automatismus besteht 

Sozialauswahl: Bei Massenentlassungen muss der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchführen

Wenn das Unternehmen schließt

Die Nachricht über eine bevorstehende Geschäftsaufgabe trifft Arbeitnehmer meist völlig unerwartet. Plötzlich steht nicht nur der Arbeitsplatz auf dem Spiel, sondern die gesamte berufliche Existenz. In dieser belastenden Situation ist es entscheidend, die eigenen Rechte zu kennen und strategisch vorzugehen.

Eine Geschäftsaufgabe bedeutet nicht automatisch, dass Arbeitnehmer schutzlos sind. Das deutsche Arbeitsrecht bietet verschiedene Schutzmechanismen, die in dieser Situation greifen. Besonders wichtig ist das Thema Abfindung, denn oft können Beschäftigte eine finanzielle Entschädigung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes durchsetzen.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind komplex und erfordern eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls. Dabei spielen Faktoren wie die Betriebsgröße, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und die Art der Geschäftsaufgabe eine entscheidende Rolle für die Höhe einer möglichen Abfindung.

Rechtliche Grundlagen der Kündigung wegen Geschäftsaufgabe

Betriebsbedingte Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz

Wenn ein Arbeitgeber sein Geschäft aufgibt, führt dies zu betriebsbedingten Kündigungen. Diese sind nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nur dann wirksam, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen.

Bei einer vollständigen Geschäftsaufgabe ist das betriebliche Erfordernis in der Regel gegeben. Der Arbeitgeber muss jedoch nachweisen, dass die Schließung tatsächlich endgültig ist und nicht nur vorübergehend erfolgt. Eine bloße Umstrukturierung oder temporäre Einstellung der Geschäftstätigkeit reicht nicht aus.

Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen einer Geschäftsaufgabe und einer Betriebsschließung. Während bei der Geschäftsaufgabe das gesamte Unternehmen eingestellt wird, kann eine Betriebsschließung auch nur Teile des Unternehmens betreffen. Diese Unterscheidung hat Auswirkungen auf die Prüfung der Sozialauswahl und die Höhe möglicher Abfindungen.

Kündigungsschutz und Mindestfristen

Auch bei einer Geschäftsaufgabe gelten die normalen Kündigungsfristen nach § 622 BGB. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen (§ 623 BGB). Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit verlängern sich die Kündigungsfristen erheblich. Arbeitnehmer mit langjähriger Betriebszugehörigkeit haben dadurch mehr Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen.

Das Kündigungsschutzgesetz gilt für Betriebe mit mehr als zehn Arbeitnehmern (§ 23 Abs. 1 KSchG). In kleineren Betrieben greift der besondere Kündigungsschutz des KSchG nicht; es gelten jedoch die allgemeinen zivilrechtlichen Schutzvorschriften, etwa das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) und das Verbot der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). Dennoch können auch hier Abfindungsansprüche entstehen, etwa durch einen Sozialplan oder freiwillige Vereinbarungen.

Abfindung bei Geschäftsaufgabe: Anspruchsgrundlagen

Gesetzliche Abfindung nach § 1a KSchG

Einen automatischen Anspruch auf Abfindung gibt es grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme bildet § 1a KSchG, der eine Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr vorsieht. Dieser Anspruch entsteht jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen:

Der Arbeitgeber muss in der Kündigungserklärung ausdrücklich auf die Abfindungsmöglichkeit hinweisen und gleichzeitig auf betriebsbedingte Gründe verweisen. Der Arbeitnehmer darf dann keine Kündigungsschutzklage erheben und muss die Kündigung widerspruchslos hinnehmen.

Diese Regelung ist in der Praxis selten anwendbar, da sie dem Arbeitnehmer keine Sicherheit bietet. Oftmals ist es strategisch sinnvoller, zunächst Kündigungsschutzklage zu erheben und dann über eine Abfindung zu verhandeln.

Abfindung durch Sozialplan

Bei Massenentlassungen im Rahmen einer Geschäftsaufgabe ist oft ein Sozialplan zu erstellen. Dieser regelt die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen. Sozialpläne enthalten häufig Abfindungsregelungen, die deutlich über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen.

Die Höhe der Abfindung im Sozialplan hängt von verschiedenen Faktoren ab: Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Oft werden auch soziale Gesichtspunkte wie Schwerbehinderung oder Alleinerziehendenstatus berücksichtigt.

Existiert bereits ein Betriebsrat, führt dieser die Verhandlungen über den Sozialplan. Gibt es keinen Betriebsrat, können die Arbeitnehmer einen wählen oder sich anderweitig organisieren, um ihre Interessen durchzusetzen.

Vergleichsverhandlungen vor dem Arbeitsgericht

Die häufigste Form der Abfindung entsteht durch Vergleichsverhandlungen im Rahmen einer Kündigungsschutzklage. Auch wenn der Arbeitgeber betriebsbedingte Gründe geltend macht, bestehen oft Angriffspunkte, die zu einer Abfindung führen können.

Mögliche Angriffspunkte sind Fehler bei der Sozialauswahl, mangelhafte Anhörung des Betriebsrats oder formelle Fehler bei der Kündigung. Selbst wenn diese Punkte nicht zum Erfolg der Klage führen, können sie als Verhandlungsmasse für eine Abfindung dienen.

In der Praxis orientiert sich die Abfindungshöhe häufig an einem halben Monatsverdienst pro Beschäftigungsjahr, wie es § 1a KSchG vorsieht. Im Rahmen von Sozialplänen oder gerichtlichen Vergleichen können jedoch auch andere Beträge vereinbart werden.

Praktische Tipps für betroffene Arbeitnehmer

Sofortmaßnahmen nach Erhalt der Kündigung

Nach Erhalt einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe sollten Arbeitnehmer schnell handeln. Die wichtigste Frist ist die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG. Nur innerhalb dieser Frist kann eine Kündigungsschutzklage erhoben werden. Diese Frist gilt auch für außerordentliche Kündigungen, wenn deren Unwirksamkeit geltend gemacht werden soll (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG).

Parallel dazu sollte sich der Arbeitnehmer unverzüglich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos melden. Diese Meldung muss bereits drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgen, um Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld zu vermeiden.

Es ist ratsam, die Kündigungsgründe und die Umstände der Geschäftsaufgabe genau zu dokumentieren. Diese Informationen sind später für die rechtliche Bewertung und eventuelle Vergleichsverhandlungen wichtig.

Prüfung der Kündigungsgründe

Auch bei einer Geschäftsaufgabe sollten Arbeitnehmer die Kündigungsgründe kritisch prüfen. Häufige Fehlerquellen sind unzureichende Begründungen, fehlerhafte Sozialauswahl oder Verstöße gegen die Betriebsratsanhörung.

Besonders bei schrittweisen Betriebsschließungen oder Umstrukturierungen ist zu prüfen, ob tatsächlich betriebsbedingte Gründe vorliegen. Manchmal tarnt sich eine personenbedingte Kündigung als betriebsbedingte Maßnahme.

Verhandlungsstrategien

Bei der Verhandlung über eine Abfindung ist eine durchdachte Strategie entscheidend. Zunächst sollte die eigene Verhandlungsposition realistisch eingeschätzt werden. Faktoren wie die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage, die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers und die Dringlichkeit der Stellensuche spielen eine wichtige Rolle.

Oft ist es sinnvoll, zunächst Kündigungsschutzklage zu erheben und dann in Vergleichsverhandlungen zu treten. Dies verschafft eine bessere Verhandlungsposition, da der Arbeitgeber Rechtssicherheit anstrebt.

Die Höhe der Abfindung sollte sich nicht nur an der Regelabfindung orientieren. Besondere Umstände wie lange Betriebszugehörigkeit, höheres Alter oder schwierige Arbeitsmarktlage können höhere Abfindungen rechtfertigen.

Checkliste für betroffene Arbeitnehmer

Unmittelbar nach Erhalt der Kündigung:

  • Kündigung auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen
  • Drei-Wochen-Frist für Kündigungsschutzklage beachten
  • Arbeitssuchendmeldung bei der Bundesagentur für Arbeit
  • Dokumentation der Kündigungsgründe und Umstände

Rechtliche Prüfung:

  • Betriebsbedingte Gründe hinterfragen
  • Sozialauswahl prüfen (falls anwendbar)
  • Betriebsratsanhörung kontrollieren
  • Massenentlassungsverfahren überprüfen

Verhandlungsvorbereitung:

  • Eigene Verhandlungsposition einschätzen
  • Abfindungshöhe kalkulieren
  • Vergleichbare Fälle recherchieren
  • Rechtliche Beratung einholen

Längerfristige Planung:

  • Stellensuche organisieren
  • Weiterbildungsmöglichkeiten prüfen
  • Sozialversicherungsschutz sicherstellen
  • Steuerliche Aspekte der Abfindung bedenken

Wenn du von einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe betroffen bist, solltest du deine Rechte nicht ungeprüft hinnehmen. Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann entscheidend für die Durchsetzung einer angemessenen Abfindung sein.

Häufig gestellte Fragen

Nein, einen automatischen Abfindungsanspruch gibt es nicht. Abfindungen entstehen meist durch Vergleichsverhandlungen, Sozialpläne oder in besonderen Fällen durch § 1a KSchG.

Bei einer echten Geschäftsaufgabe ist die Kündigung meist unvermeidlich. Allerdings können formelle Fehler die Kündigung unwirksam machen und zu Abfindungsansprüchen führen.

Eine Freistellung ist möglich, ändert aber nichts an der Lohnfortzahlungspflicht. Die Freistellung sollte schriftlich erfolgen.

Eine Klage ist nicht zwingend erforderlich, aber oft strategisch sinnvoll. Nur so können Fehler der Kündigung gerügt und eine bessere Verhandlungsposition erreicht werden. Andernfalls gilt die Kündigung als wirksam.

Bei der Geschäftsaufgabe wird das gesamte Unternehmen eingestellt, bei der Betriebsschließung nur einzelne Betriebsteile. Dies hat Auswirkungen auf die Sozialauswahl.

Als Orientierungswert wird häufig eine Abfindung von 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr herangezogen, wie es § 1a KSchG vorsieht. Gesetzlich vorgeschrieben ist dieser Wert jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 1a KSchG. Je nach Umständen können auch höhere Beträge angemessen sein.

Die Klagefrist beträgt drei Wochen ab Zugang der Kündigung. Nach Ablauf dieser Frist ist die Kündigung wirksam.

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