Ein Punktesystem im Sozialplan versucht, die sozialen Kriterien in ein zahlenmäßiges Verhältnis zu setzen. Die konkrete Ausgestaltung kann von Unternehmen zu Unternehmen variieren, folgt aber in der Regel einem ähnlichen Grundmuster. Für jeden Mitarbeiter wird eine individuelle Punktzahl ermittelt, die seine soziale Schutzbedürftigkeit abbilden soll. Grundsätzlich gilt: Je höher die Punktzahl, desto schutzbedürftiger ist der Arbeitnehmer und desto weniger wahrscheinlich sollte eine Kündigung sein.
Wenn Unternehmen umstrukturieren, fusionieren oder Abteilungen schließen müssen, stehen oftmals betriebsbedingte Kündigungen im Raum. Um diese Maßnahmen sozial verträglich zu gestalten, werden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat häufig Sozialpläne vereinbart. Ein zentrales Element solcher Sozialpläne ist in vielen Fällen das sogenannte Punktesystem. Dieses Verfahren soll sicherstellen, dass bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter soziale Gesichtspunkte angemessen berücksichtigt werden.
Das Punktesystem im Sozialplan ist ein Instrument, das die Sozialauswahl nach objektiven Kriterien gestalten soll. Es versucht, die im Kündigungsschutzgesetz verankerten sozialen Auswahlkriterien – Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung – in ein zahlenmäßiges Verhältnis zu setzen. Für jeden Mitarbeiter wird eine individuelle Punktzahl ermittelt, die seine soziale Schutzbedürftigkeit abbilden soll. Grundsätzlich gilt: Je höher die Punktzahl, desto schutzbedürftiger ist der Arbeitnehmer und desto weniger wahrscheinlich sollte eine Kündigung sein.
In diesem Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte über Sozialpläne mit Punktesystemen: von den rechtlichen Grundlagen über die Funktionsweise bis hin zu Ihren Handlungsmöglichkeiten als betroffener Arbeitnehmer.
Die rechtliche Basis für Sozialpläne bildet das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Nach § 112 BetrVG ist bei geplanten Betriebsänderungen ein Interessenausgleich anzustreben und ein Sozialplan aufzustellen. In Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern kann der Sozialplan nach § 112a BetrVG auch gegen den Willen des Arbeitgebers durchgesetzt werden.
Der Sozialplan ist eine Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die den Zweck hat, wirtschaftliche Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen, auszugleichen oder abzumildern. Er enthält typischerweise Regelungen zu Abfindungen, aber auch Kriterien für die Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter – häufig in Form eines Punktesystems.
Parallel dazu regelt § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) die Grundsätze der Sozialauswahl. Danach ist eine betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Das Gesetz nennt vier Hauptkriterien, die bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen sind:
Die Gewichtung dieser Kriterien ist gesetzlich nicht vorgegeben. Hier setzt das Punktesystem an, indem es den einzelnen Kriterien Punktwerte zuordnet und so eine Vergleichbarkeit zwischen den Arbeitnehmern herstellt.
Ein Punktesystem im Sozialplan versucht, die sozialen Kriterien in ein zahlenmäßiges Verhältnis zu setzen. Die konkrete Ausgestaltung kann von Unternehmen zu Unternehmen variieren, folgt aber in der Regel einem ähnlichen Grundmuster:
Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist ein zentrales Kriterium in der Sozialauswahl. Typischerweise werden pro Jahr der Betriebszugehörigkeit Punkte vergeben, wobei unterschiedliche Modelle existieren:
Auch das Lebensalter fließt in die Punktebewertung ein, wobei ältere Arbeitnehmer in der Regel mehr Punkte erhalten, da sie auf dem Arbeitsmarkt oft schwerer vermittelbar sind. Auch hier gibt es verschiedene Berechnungsmodelle:
Unterhaltspflichten werden berücksichtigt, indem für jede unterhaltsberechtigte Person Punkte vergeben werden. Dabei kann unterschieden werden nach:
Liegt eine anerkannte Schwerbehinderung vor, werden zusätzliche Punkte vergeben, oft gestaffelt nach dem Grad der Behinderung:
Beispiel:
Neben den gesetzlichen Hauptkriterien, die für die Sozialauswahl im Kündigungsschutzverfahren maßgeblich sind, können im Sozialplan weitere sozial relevante Faktoren berücksichtigt werden, die jedoch nicht die gesetzlichen Auswahlkriterien ersetzen dürfen:
Nach der Bewertung aller Kriterien werden die Punkte addiert, und es ergibt sich für jeden Arbeitnehmer eine Gesamtpunktzahl. Diese Punktzahl bestimmt die Rangfolge der sozialen Schutzbedürftigkeit: Arbeitnehmer mit niedrigeren Punktzahlen werden in der Regel vorrangig gekündigt, solche mit höheren Punktzahlen bleiben eher im Unternehmen.
Ein Punktesystem im Sozialplan muss bestimmten rechtlichen Anforderungen genügen, um wirksam zu sein. Das Punktesystem muss alle vier im KSchG genannten Sozialkriterien (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) angemessen berücksichtigen. Eine völlige Außerachtlassung eines Kriteriums oder eine extreme Untergewichtung kann zur Unwirksamkeit des Systems führen. Die Gewichtung der einzelnen Kriterien muss ausgewogen sein. Zwar haben Arbeitgeber und Betriebsrat hier einen Gestaltungsspielraum, doch darf kein Kriterium so dominant sein, dass die anderen faktisch bedeutungslos werden. Zudem muss das Punktesystem transparent und für die Betroffenen nachvollziehbar sein. Die Berechnungsmethode sollte klar definiert und die Punktevergabe überprüfbar sein. Das System darf keine willkürlichen oder sachfremden Kriterien enthalten. Zusätzliche Kriterien neben den gesetzlichen Hauptkriterien müssen einen sozialen Bezug haben. Nicht zuletzt darf das Punktesystem nicht diskriminierend sein, d.h., es darf niemanden aufgrund geschützter Merkmale wie Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion etc. benachteiligen.
In der Praxis ergeben sich bei der Anwendung von Punktesystemen im Rahmen von Sozialplänen häufig Probleme und Streitpunkte:
Ein häufiges Problem ist die fehlerhafte Erhebung oder Dokumentation der relevanten persönlichen Daten:
Vor der Anwendung des Punktesystems muss der Arbeitgeber eine zulässige Vergleichsgruppe bilden. Häufige Fehler sind:
Leistungsgesichtspunkte dürfen bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nur in engen Grenzen berücksichtigt werden, wenn dies durch betriebliche Interessen gerechtfertigt ist. Im Sozialplan können zusätzliche Leistungskriterien vereinbart werden, diese dürfen jedoch die gesetzlichen Sozialkriterien nicht verdrängen. Dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
In manchen Fällen werden besondere Härtefälle nicht ausreichend berücksichtigt:
In der Praxis kommt es vor, dass Arbeitgeber von der durch das Punktesystem vorgegebenen Rangfolge abweichen. Dies ist nur in engen Grenzen zulässig, etwa wenn betriebliche Belange die Weiterbeschäftigung bestimmter Arbeitnehmer erfordern (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG).
Als von einer Kündigung im Rahmen eines Sozialplans betroffener Arbeitnehmer haben Sie verschiedene Rechte und Handlungsmöglichkeiten:
Sie haben das Recht, die Berechnung Ihrer Punktzahl zu überprüfen. Dazu können Sie folgende Schritte unternehmen:
Stellen Sie Fehler in der Punkteberechnung fest, sollten Sie umgehend Widerspruch einlegen:
Wurden Ihre Einwände nicht berücksichtigt oder die Kündigung bereits ausgesprochen, bleibt Ihnen die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage:
Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Arbeitgeber Arbeitnehmer aufgrund ihrer Leistung oder besonderen Kenntnisse von der Sozialauswahl ausnehmen. Dies ist jedoch an strenge Bedingungen geknüpft und muss durch betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sein.
Die dreiwöchige Klagefrist ist eine strikte Ausschlussfrist. Nach ihrem Ablauf können Sie die Wirksamkeit der Kündigung grundsätzlich nicht mehr angreifen.
Ja, Sie können alle Unwirksamkeitsgründe im Rahmen einer Kündigungsschutzklage geltend machen. Es ist sogar ratsam, alle möglichen Unwirksamkeitsgründe vorzutragen.
Wenn Sie nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen (z.B. bei einer Betriebszugehörigkeit unter sechs Monaten oder in Kleinbetrieben), können Sie sich grundsätzlich nicht auf die Regelungen zur Sozialauswahl berufen. Wenn jedoch ein Sozialplan mit Punktesystem existiert, kann dieser auch für Sie gelten, sofern er keine Ausnahmen vorsieht.
Ja, Sie haben das Recht zu erfahren, wie Ihre Punktebewertung zustande gekommen ist. Der Arbeitgeber oder der Betriebsrat muss Ihnen auf Anfrage die Berechnungsgrundlagen und das Ergebnis mitteilen.
Nein, eine gleiche Gewichtung ist nicht zwingend erforderlich. Arbeitgeber und Betriebsrat haben bei der Gestaltung des Punktesystems einen gewissen Spielraum. Die Gewichtung muss jedoch ausgewogen sein, und kein Kriterium darf so dominant sein, dass die anderen faktisch bedeutungslos werden.
Der Sozialplan ist eine Betriebsvereinbarung, die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Ohne diese Zustimmung kann ein Punktesystem nur wirksam werden, wenn es durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt wurde.
Teilzeitbeschäftigte dürfen bei der Punktebewertung nicht benachteiligt werden. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit wird unabhängig vom Beschäftigungsumfang berücksichtigt. Bei anderen Kriterien kann der Teilzeitfaktor eine Rolle spielen.
Maßgeblich für die Bewertung der sozialen Kriterien ist der Zeitpunkt, in dem die Kündigungsentscheidung getroffen wird (meist der Zugang der Kündigung). Nachträgliche Änderungen in den persönlichen Verhältnissen, wie etwa neue Unterhaltspflichten oder eine anerkannte Schwerbehinderung, werden grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Änderung zum Kündigungszeitpunkt bereits absehbar oder eingetreten war und dem Arbeitgeber bekannt oder erkennbar hätte sein müssen.
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