Kündigung in der Schwangerschaft wegen Geschäftsaufgabe

Die Kündigung in der Schwangerschaft wegen Geschäftsaufgabe stellt einen komplexen Sonderfall im Arbeitsrecht dar. Während schwangere Arbeitnehmerinnen in Deutschland durch das Mutterschutzgesetz (MuSchG) umfassend geschützt sind, stellt sich die Frage, was passiert, wenn ein Unternehmen seinen Betrieb vollständig einstellt. In dieser Situation prallen zwei grundlegende Prinzipien aufeinander: Einerseits der besondere Kündigungsschutz für werdende Mütter, andererseits die unternehmerische Freiheit zur Beendigung der Geschäftstätigkeit.

Das Wichtigste im Überblick

  • Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin ist grundsätzlich auch bei Geschäftsaufgabe verboten, es sei denn, die zuständige Aufsichtsbehörde erteilt eine Zulässigkeitserklärung.
  • Die Geschäftsaufgabe muss vollständig und endgültig sein – eine bloße Umstrukturierung oder Teilschließung reicht nicht aus.
  • Arbeitnehmerinnen haben auch nach einer genehmigten Kündigung Anspruch auf finanzielle Leistungen wie Mutterschutzlohn und Elterngeld.

Wenn Mutterschutz auf Betriebsschließung trifft

Die Kündigung in der Schwangerschaft wegen Geschäftsaufgabe stellt einen komplexen Sonderfall im Arbeitsrecht dar. Während schwangere Arbeitnehmerinnen in Deutschland durch das Mutterschutzgesetz (MuSchG) umfassend geschützt sind, stellt sich die Frage, was passiert, wenn ein Unternehmen seinen Betrieb vollständig einstellt. In dieser Situation prallen zwei grundlegende Prinzipien aufeinander: Einerseits der besondere Kündigungsschutz für werdende Mütter, andererseits die unternehmerische Freiheit zur Beendigung der Geschäftstätigkeit.

Die Relevanz dieses Themas hat in den letzten Jahren zugenommen. Wirtschaftliche Herausforderungen, Insolvenzen und Unternehmensumstrukturierungen haben viele Arbeitgeber vor die Frage gestellt, wie mit schwangeren Mitarbeiterinnen bei Betriebsschließungen umzugehen ist. Zugleich stehen betroffene Arbeitnehmerinnen vor der Herausforderung, ihre Rechte und finanziellen Ansprüche in einer Ausnahmesituation wie der Geschäftsaufgabe zu verstehen und durchzusetzen.

In diesem Artikel beleuchten wir die rechtlichen Grundlagen und geben konkrete Handlungsempfehlungen für betroffene Arbeitnehmerinnen.

Rechtliche Grundlagen: Der besondere Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz

Das grundsätzliche Kündigungsverbot

Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) bildet die zentrale rechtliche Grundlage für den Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen. Nach § 17 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung unzulässig. Dieser Kündigungsschutz beginnt mit dem ersten Tag der Schwangerschaft und gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber bereits von der Schwangerschaft weiß.

Wichtig ist, dass der Kündigungsschutz greift, wenn die Arbeitnehmerin ihren Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung über die Schwangerschaft informiert oder dies unverzüglich nachholt, falls sie von der Schwangerschaft selbst erst später erfährt.

Die Zulässigkeitserklärung der Behörde bei Geschäftsaufgabe

Das MuSchG sieht in § 17 Abs. 2 vor, dass die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft, nach einer Fehlgeburt oder nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären kann.

Die vollständige und endgültige Geschäftsaufgabe kann einen solchen besonderen Fall darstellen. Folgende Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein:

  1. Die Geschäftsaufgabe muss vollständig sein, d.h. der gesamte Betrieb wird geschlossen.
  2. Die Aufgabe muss endgültig sein, eine vorübergehende Schließung reicht nicht aus.
  3. Die Schließung darf nicht mit dem Zustand der Schwangerschaft in Zusammenhang stehen.
  4. Es muss ein Antrag bei der zuständigen Aufsichtsbehörde gestellt werden.

Das Genehmigungsverfahren

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens prüft die Behörde:

  • Ob tatsächlich eine vollständige und endgültige Geschäftsaufgabe vorliegt
  • Ob die Kündigung tatsächlich nicht mit der Schwangerschaft zusammenhängt
  • Ob möglicherweise Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen, etwa in anderen Unternehmensteilen

Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung einen Ermessensspielraum und prüft alle Umstände des Einzelfalls. Bei nachgewiesener vollständiger Betriebsschließung wird die Genehmigung häufig erteilt,

Die rechtliche Bedeutung der Genehmigung

Die behördliche Genehmigung macht die Kündigung nicht automatisch wirksam, sondern beseitigt lediglich das Kündigungsverbot nach dem MuSchG. Die Kündigung muss weiterhin allen anderen gesetzlichen Anforderungen entsprechen, insbesondere:

  • Sie muss schriftlich erfolgen (§ 623 BGB)
  • Sie muss die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist einhalten
  • Sie darf nicht gegen andere Kündigungsschutzvorschriften verstoßen (z.B. Kündigungsschutzgesetz, wenn anwendbar)

Hauptaspekte: Was bedeutet "vollständige und endgültige Geschäftsaufgabe"?

Abgrenzung zur Betriebseinschränkung oder Umstrukturierung

Die Rechtsprechung stellt strenge Anforderungen an das Vorliegen einer vollständigen und endgültigen Geschäftsaufgabe. Diese liegt nur vor, wenn der Betrieb in seiner Gesamtheit aufgelöst wird und die unternehmerische Tätigkeit vollständig eingestellt wird.

Keine vollständige Geschäftsaufgabe liegt dagegen in folgenden Fällen vor:

  • Betriebseinschränkungen oder Teilschließungen
  • Verlegung des Betriebs an einen anderen Ort
  • Übernahme des Betriebs durch einen anderen Inhaber (Betriebsübergang)
  • Umwandlung der Rechtsform des Unternehmens
  • Fusion mit einem anderen Unternehmen

Die Sonderrolle der Insolvenz

Bei Insolvenzverfahren gelten besondere Regeln. Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt noch keine Geschäftsaufgabe dar und rechtfertigt daher noch keine Zulässigkeitserklärung der Behörde. Erst wenn der Insolvenzverwalter entscheidet, den Betrieb stillzulegen, kann eine Zulässigkeitserklärung der Behörde in Betracht kommen. Die Insolvenz führt nicht automatisch zu einer Durchbrechung des Kündigungsschutzes für schwangere Arbeitnehmerinnen.

Nachweis der Geschäftsaufgabe

Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für das Vorliegen einer vollständigen und endgültigen Geschäftsaufgabe. Um dies nachzuweisen, kann er verschiedene Dokumente und Belege vorlegen. Hierzu zählen die Abmeldung des Gewerbes bei der zuständigen Behörde sowie bei Kapitalgesellschaften der entsprechende Auflösungsbeschluss der Gesellschafter. Weitere Nachweise sind die Kündigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse und die Beendigung von Miet- und Leasingverträgen für die genutzten Betriebsräume und -mittel. Auch die Liquidation des vorhandenen Betriebsvermögens und die nachweisliche Schließung aller Betriebsstätten dienen als Belege für die tatsächliche Geschäftsaufgabe. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wird die zuständige Aufsichtsbehörde alle diese Nachweise sorgfältig prüfen, um festzustellen, ob tatsächlich eine vollständige und endgültige Einstellung der Geschäftstätigkeit vorliegt.

Praktische Tipps für betroffene Arbeitnehmerinnen

Sofortige Dokumentation und Mitteilung der Schwangerschaft

Wenn Sie schwanger sind und von einer möglichen Geschäftsaufgabe Ihres Arbeitgebers erfahren, sollten Sie:

  1. Ihre Schwangerschaft unverzüglich dem Arbeitgeber mitteilen und dies beweissicher dokumentieren (z.B. per Einschreiben mit Rückschein)
  2. Ein ärztliches Attest über die Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstermin vorlegen
  3. Den Arbeitgeber auf Ihren besonderen Kündigungsschutz hinweisen

Diese Schritte sind wichtig, um den Kündigungsschutz zu sichern und spätere Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.

Prüfung einer erhaltenen Kündigung

Wenn Sie trotz Schwangerschaft eine Kündigung erhalten, sollten Sie prüfen:

  1. Ob eine behördliche Genehmigung vorliegt (diese sollte der Arbeitgeber idealerweise mit der Kündigung zustellen; sie muss jedenfalls zum Zeitpunkt der Kündigung vorliegen)
  2. Ob tatsächlich eine vollständige Geschäftsaufgabe vorliegt oder ob der Betrieb in irgendeiner Form fortgeführt wird
  3. Ob die Kündigung alle formalen Voraussetzungen erfüllt (Schriftform, Einhaltung der Kündigungsfrist)

Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung, ist es ratsam, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht zu erheben.

Hilfe bei der zuständigen Aufsichtsbehörde suchen

Die für den Arbeitsschutz zuständige Behörde, die über die Zulässigkeitserklärung entscheidet, kann auch beratend tätig werden. Betroffene Arbeitnehmerinnen sollten nicht zögern, dort Rat zu suchen, insbesondere wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer beantragten oder erteilten Genehmigung bestehen.

Checkliste: Was tun bei drohender Kündigung wegen Geschäftsaufgabe?

  • Schwangerschaft umgehend und beweissicher dem Arbeitgeber mitteilen
  • Ärztliches Attest über die Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstermin vorlegen
  • Bei erhaltener Kündigung prüfen, ob eine behördliche Genehmigung vorliegt
  • Prüfen, ob tatsächlich eine vollständige Geschäftsaufgabe vorliegt
  • Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Kündigung innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben
  • Ansprüche auf Mutterschutzlohn, Mutterschaftsgeld, Zuschuss zum Mutterschaftsgeld und Elterngeld geltend machen
  • Bei der Agentur für Arbeit melden und Arbeitslosengeld beantragen
  • Frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch nehmen

Häufig gestellte Fragen

Grundsätzlich steht schwangeren Arbeitnehmerinnen ein besonderer Kündigungsschutz zu, der bis vier Monate nach der Entbindung gilt. Eine Kündigung ist nur mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde zulässig und nur aus Gründen, die nicht mit der Schwangerschaft zusammenhängen.

Grundsätzlich können Arbeitgeber und Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis jederzeit einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag beenden. Der besondere Kündigungsschutz greift hier nicht. Allerdings sollten schwangere Arbeitnehmerinnen sehr genau prüfen, ob ein solcher Vertrag in ihrem Interesse ist, und sich vorher rechtlich beraten lassen.

Ja, der besondere Kündigungsschutz gilt nur für Kündigungen durch den Arbeitgeber. Sie können als Arbeitnehmerin jederzeit selbst kündigen, sollten aber die Auswirkungen auf Ihre Ansprüche (Mutterschutz, Elterngeld etc.) bedenken.

Nein, da die Kündigung vom Arbeitgeber ausgeht und Sie als Arbeitnehmerin keinen Einfluss auf die Geschäftsaufgabe haben, droht keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.

Wenn der Arbeitgeber mehrere Betriebe oder Betriebsteile führt und nur einen davon schließt, muss er prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Betriebsteil möglich ist. Eine Kündigung ist in diesem Fall in der Regel nicht zulässig.

Eine vollständige und endgültige Geschäftsaufgabe liegt vor, wenn der gesamte Betrieb geschlossen wird und die unternehmerische Tätigkeit vollständig eingestellt wird. Eine bloße Betriebseinschränkung, Umstrukturierung oder ein Betriebsübergang fallen nicht darunter.

Eine Kündigung ohne die erforderliche behördliche Genehmigung ist unwirksam. Sie können innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.

Auch bei einer genehmigten Kündigung haben Sie Anspruch auf Mutterschutzlohn während eines Beschäftigungsverbots, Mutterschaftsgeld und den Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld während der Mutterschutzfristen sowie auf Elterngeld nach der Geburt. Zudem können Sie Arbeitslosengeld beantragen.

Der Arbeitgeber muss bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Zulässigkeitserklärung stellen und die Gründe für die Kündigung darlegen. Die Behörde prüft den Antrag und hört in der Regel auch die betroffene Arbeitnehmerin an, bevor sie eine Entscheidung trifft und die Kündigung ggfs. für zulässig erklärt.

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